Residenzgeschichte und Hofkultur Gothas im 17. und 18. Jahrhundert

Autor/innen

  • Andreas Klinger

DOI:

https://doi.org/10.13141/jmb.v20072674

Abstract

Der Autor gibt einen historischen Überblick über die Residenzbildung und höfische Kultur im 1640 neu gegründeten Herzogtum Gotha unter Ernst dem Frommen und seinen Nachkommen. Das um 1654 fertiggestellte Schloss Friedenstein diente Herzog Ernst und seiner Familie nicht nur als fürstlicher Herrschaftssitz, sondern wurde auch zum Zentrum der zu einer Einheit verschmolzenen und unter einem Dach vereinigten Verwaltungsbehörden des angedachten Gothaer Fürstenstaates. Darüber hinaus diente die Residenz auch als Tagungsort der Landstände und Unterrichtsstätte für die höchsten Klassen des städtischen Gymnasiums. Ernsts Disziplinierungsmaßnahmen am Hofe strahlten von hier aus auch mittels restriktiver Verordnungen auf das Umland aus. Das Hofleben und die höfische Kultur gestaltete er ähnlich disziplinierend und eher nüchtern. Seltene Theateraufführungen dienten primär der moralischen Erziehung der Höflinge und fanden weniger im Rahmen von Festlichkeiten statt. Unter seinem ältesten Sohn Friedrich I. und Enkel Friedrich II. erfolgte dahingegen der Ausbau der Residenzlandschaft, und es entstanden dezentrale Lustschlösser als prächtige Kulissen für herrschaftliche Macht, fürstliche Repräsentation und höfische Kultur nach französischem und Wiener Vorbild. Das Hoftheater des Schlosses Friedenstein und noch mehr der Lustschlösser Friedrichswerth und Friedrichsthal glänzte fortan mit Aufführungen primär deutscher Opern und Singspiele. Pläne eines dauerhaften Spielbetriebs italienischer Opern in den 1760er Jahren scheiterten am Regierungsantritt Herzog Ernst II, der dem Friedenstein sein heutiges Aussehen gab und zunächst die Festanstellung einer deutschen Theatertruppe und dann die Pflege von Kunst und Literatur sowie die Förderung der Wissenschaften priorisierte. In dieser Abfolge Gothaer Herrscher und Hofkulturen manifestierten sich dem Autor zufolge unterschiedliche Typologien der Hofforschung: Ernst des Frommen patriarchalisch regiertem Fürstenstaat folgte unter seinen Nachkommen ein zunächst eher „zeremonielles“ und schließlich geselliges sowie unterhaltungsorientiertes Hofwesen. Herzog Ernsts II. zunehmende Distanzierung von einem zuvor favorisierten „aufgeklärten Musenhof“ antizipierte zu guter Letzt die im 19. Jahrhundert einsetzende Krise der Höfe und Bemühungen von Fürsten, sich innerhalb einer zunehmenden bürgerlichen Gesellschaft zu legitimieren. (Sabine Koch)

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Veröffentlicht

2018-05-10

Ausgabe

Rubrik

Beiträge des Tages der Mitteldeutschen Barockmusik (Gotha, 2006)