Bd. 5 (2005): Heinrich Glarean oder: Die Rettung der Musik aus dem Geist der Antike?
Herausgegeben von Nicole Schwindt.
Der Schweizer Gelehrte Glarean war nicht nur ein bedeutender Humanist, sondern auch einer der einflussreichsten Musiktheoretiker des 16. Jahrhunderts. In seinem "Dodekachordon", einer der zentralen Schriften der musikalischen Renaissance, tritt er mit keinem geringeren Anspruch auf, als die Musik von Grund auf zu erneuern und damit zukunftsfähig zu erhalten. Aus dieser Motivation entwickelte er auf der Basis antiker Ansätze ein logisch stimmiges Zwölf-Tonarten-System, das von den Gepflogenheiten der mittelalterlichen Lehre und Praxis gereinigt war und das etablierte System der acht Modi ersetzen sollte. Seine musikalisch-weltanschauliche Ambition untermauerte er einesteils mit neu in Auftrag gegebenen Kompositionen, anderenteils mit ausgesprochen eigenwilligen, der herkömmlichen Lehre wie der zeitgenössischen Kompositionspraxis zuwiderlaufenden Analysen bereits bestehender Werke, die in Glareans Sinn den Kern der "Wahrheit" dennoch bereits in sich tragen. Kein Musiktraktat der Zeit enthält so viel konkretes Material zur Anschauung bzw. "Anhörung". Die Beiträge dieses Bandes informieren über die Person und ihr Umfeld und erörtern die Voraussetzungen, Verfahren und Rezeption des musikalischen Denkens von Heinrich Loriti, genannt Glareanus.